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Die Freiberuflichkeit im Schatten der Digitalisierung

Technologische Entwicklungen verändern die Arbeitsweise in den freien Berufen. Steuerrechtlich wird die Digitalisierung immer mehr Freiberufler in die Gewerblichkeit führen. Eine Bestandsaufnahme am Beispiel von Rechtsanwälten und Steuerberatern.

Die Zukunft ist schon in den Kanzleien

Digitalisierte Dokumente und Belege, elektronische Akten, Online-Akquise und –Beratung sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie sehr die Technik den Alltag in Anwalts- und Steuerkanzleien bereits verändert hat. Wo die Reise in der Rechtsberatung hingeht zeigen vor allem die neuen Legal Tech-Geschäftsmodelle. Start-Ups bieten auf Online-Portalen Produkte wie Hartz-IV-Widerspruch, Anspruchsdurchsetzung bei Flugverspätung oder Generatoren für maschinell erstellte Testamente an.
Auch herkömmliche Kanzleien verlagern immer mehr Tätigkeiten von den Gehirnen der Berufsträger und Fachangestellten auf die Kanzleisoftware sowie sonstige Tools und Algorithmen.

Was den Freiberufler ausmacht…

Diese Entwicklung wirft berufsrechtlich und vor allem steuerrechtlich einige Fragen auf. Rechtsanwälte und Steuerberater unterliegen grundsätzlich als Freiberufler nicht der Gewerbesteuerpflicht. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts ist kein Gewerbe – sagt jedenfalls die Bundesrechtsanwaltsordnung. Dort steht aber auch, dass  anwaltlich nur tätig ist, „wer sich nicht an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen“. Das Steuerberatungsgesetz verlangt vom Steuerberater eine unabhängige, eigenverantwortliche und gewissenhafte Berufsausübung.

…und was die Digitalisierung von ihm übrig lässt

Wie vertragen sich nun diese gesetzlichen Rahmenbedingungen, die ja auch dem Selbstverständnis der meisten Freiberufler entsprechen, mit der schönen neuen digitalen Welt? Zumindest die Konstellationen, in denen der Mandant lediglich mit einem Algorithmus online einen Frage-Antwort-Dialog führt, und dieser dann auf dieser Grundlage einen Rechtsrat erteilt bzw. ein Steuerdokument oder Abmahnung etc. erstellt, dürfte kaum noch als freiberufliche Tätigkeit zu bewerten sein.

Selbst wenn der Algorithmus von einem Anwalt oder Steuerberater in der tätigen Kanzlei entwickelt und gepflegt und das Ergebnis von ihm unterschrieben wird, sollte eine freiberufliche Tätigkeit abzulehnen sein.

Und wie steht es überhaupt mit der Unabhängigkeit des Steuerberaters, wenn dieser plötzlich von Computerprogrammen und technologischen Entwicklungen abhängig ist?

Die GmbH im Trend

Legal Tech und digitale Steuerberatung könnten damit ganze Branchen nach und nach in die Gewerbesteuerpflicht führen. Das gilt vor allem unter Berücksichtigung der Problematik der gewerblichen Infizierung. Die sorgt dafür, dass in einer Gesellschaft sämtliche Umsätze der Gewerbesteuer unterliegen auch wenn nur ein Teil des Geschäfts gewerblich betrieben wird.

Freiberufler, die auf Digitalisierung und Automatisierung setzen, sollten daher rechtzeitig die Umwandlung in eine GmbH prüfen. Denn wer ohnehin gewerbesteuerpflichtig ist, darf sich auch die Vorzüge der Haftungsbeschränkung gönnen. Gerade im Bereich der Finanz- und Lohnbuchhaltung gibt es bereits zahlreiche GmbHs, die im Wettbewerb zu klassischen Freiberuflersozietäten stehen.

Alternativ dürfte für viele Kanzleien auch eine Auslagerung bestimmter Tätigkeiten auf andere Gesellschaften in Betracht kommen.

Große Umwälzungen – vom Massengeschäft bis zum Wirtschaftsrecht

Die aufgezeigte steuerliche Problematik ist aber nur eines von vielen Themen, mit denen sich Kanzleien im digitalen Zeitalter auseinandersetzen müssen. „Disruptiv“ werden die Veränderungen sein, ist überall zu lesen. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass in der Rechtsberatung und Steuerberatung kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird.

Warum sollte es auch Anwälten, Steuerberatern und anderen Freiberuflern anders ergehen als ihren Kollegen in anderen Wirtschaftszweigen. Natürlich beschränkt sich der Einsatz der Technik bisher überwiegend auf einfache Tätigkeiten und das Massengeschäft. Und ein im Wirtschaftsrecht tätiger Fachanwalt mit reichlich Berufserfahrung muss sich heute noch keine Sorgen machen, dass er in Kürze durch einen Roboter mit künstlicher Intelligenz ersetzt wird.

Mehr Wettbewerb um die Mandate

Dadurch, dass immer mehr Teilbereiche in Kanzleien schrittweise durch den Einsatz von Technik optimiert werden, werden sich die Kostenstrukturen aller Kanzleiformen – von der kleinen Buchhaltungsboutique bis zur großen Wirtschaftskanzlei stark verändern. Kombiniert mit der neuen Transparenz, die das Internet bietet, darf man künftig einen viel stärkeren Wettbewerb um Mandate erwarten. Die Honorare werden bröckeln. Wer also nach den Gewinnern von Legal Tech & Co. sucht, findet diese hauptsächlich auf der Mandantenseite.

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