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Scrum aus Zeitmanagement-Sicht

Scrum ist alles Mögliche zugleich: Eine leichtgewichtige Projektplanungs- und -kontrollmethode, ein Selbstorganisations-Framework für Teams und aus Sicht des einzelnen Teammitglieds ein Hilfsmittel für das individuelle Zeitmanagement. In diesem Artikel soll es darum gehen, wie Scrum-Prinzipien und seine Best Practices das Zeitmanagement des Einzelnen unterstützen. Auch wer nicht nach Scrum arbeitet, kann daraus etwas lernen.

Planung in kurzen Iterationen

Je weiter man in die Ferne plant, umso unsicherer kann man sich festlegen bzw. umso sicherer wird man den Plan ändern müssen. Darum legt man sich in Scrum nur für kurze Zeiträume im Voraus fest. Täglich nimmt sich jedes Teammitglied konkrete Aufgaben für den nächsten Tag vor. Das Team als Ganzes hat sich, für einen beispielsweise zweiwöchigen Sprint, für eine ganze Liste von Aufgaben (Sprint Backlog) committed. Mit der ausdrücklichen Entscheidung für dieses Sprint Backlog entscheidet es sich gleichzeitig dafür, alle sonstigen denkbaren Aktivitäten zunächst zu verschieben. Alle können sich also die nächsten zwei Wochen fokussieren.

Konkretisierung der Arbeit in Aufgaben

Letztlich bearbeiten Menschen nicht Projekte oder User Stories, sondern Aufgaben. Am besten immer eine nach der anderen. Diese Idee ist nicht ganz neu. Auch das PM BOK (https://www.pmi.org/pmbok-guide-standards) konkretisiert Arbeitspakete durch Aufgaben. Im Wasserfallmodell erhält ein Mitarbeiter ein umfangreiches Arbeitspaket zugewiesen und zerlegt es selbst in Aufgaben. Diese plant er / sie und führt sie aus. Leider führt die Zerlegung eines 80-Tage-Arbeitspakets zu deutlich mehr als hundert Aufgaben, was nicht ganz einfach zu verwalten und überblicken ist, insbesondere nicht als Gantt-Diagramm. Die frühzeitige Konkretisierung der Arbeit durch Aufgaben funktioniert in Scrum nur darum so gut, weil das Team jeweils nur die nächste Iteration so detailliert plant.

Ständige Übersicht über anstehende Aufgaben

Grundlage für ein gutes Zeitmanagement des einzelnen Mitarbeiters ist eine ständige Übersicht über die anstehenden Aufgaben. Es geht dabei nicht nur um diejenigen, die er sich bis zum nächsten Standup-Meeting vorgenommen hat, sondern auch darum, was sonst noch anliegt und wie diese Aufgaben zusammenhängen. Ist beispielsweise eine Aufgabe die Vorbedingung dafür, eine andere erledigen zu können? Letzteres wird in Scrum nicht notwendigerweise dokumentiert, ist aber eine relevante Zusatzinformation für die Priorisierung der Aufgaben.

Aufwandsschätzungen mit jedem Sprint verbessern

Scrum ermöglicht und benötigt genauere Aufwandsschätzungen als ein Wasserfallprojekt, in dem man nach üblichem Sprachgebrauch eher „Hausnummern“ als echte Aufwände schätzt. Auf zehn Tage mehr oder weniger kommt es bei einem Millionenprojekt nicht an. In einem zweiwöchigen Sprint mit zehn Arbeitstagen sollte man aber nicht dermaßen daneben liegen. Grundsätzlich sind die Aufwände von Aufgaben leichter und treffender schätzbar als von mehrmonatigen Arbeitspaketen. Die Schätzqualität in Scrum wird jedoch noch weiter verbessert durch die Korrektur des Schätzmaßstabs nach jedem Sprint. Hat man sich bei der vorigen Iteration tatsächlich um 20% vertan, dann wird die angenommene Velocity korrigiert und im nächsten Sprint schätzt das Team besser.

Eine Aufwandsschätzung ist auf der Grundlage von Aufgaben überhaupt erst treffsicher möglich. Die Zerlegung und Schätzung eines Millionenprojektes in Aufgaben bereits während der Kostenschätzung ist jedoch nicht denkbar, genauso wenig eine frühzeitige Preiskorrektur nach wenigen Wochen.

Probleme früh erkennen und beheben

Gerade bei komplexen Projekten wie der Software-Entwicklung verbringt man laut Studien am wenigsten Zeit mit der Programmierung. Konzeptionelle Überlegungen, Testen, Fehlersuche, der Versuch, fremden Code zu verstehen, Dokumentation und dergleichen vor- und nachbereitende Tätigkeiten schlucken den größeren Teil der Arbeitszeit. Das gehört dazu. Völlig unnötig gehen aber immer wieder Stunden oder gar Tage in Probleme, deren Lösung ein Teamkollege sehr wohl kennt. Das Daily Standup ist die ideale Gelegenheit, um spätestens acht Arbeitsstunden nach Auftreten eines Hindernisses einen Helfer zu finden. Niemand schraubt hier alleine an Themen herum, die ihm selbst zu schwierig, dem Kollegen aber einfach sind.

Daily Standup gegen Prokrastination

Gibt man einem Prokrastinierer ein dreimonatiges Arbeitspaket, dann arbeitet er zweieinhalb Monate nur gerade so viel, um den Anschein von Betriebsamkeit und Stress aufrecht zu erhalten. In regelmäßigen Statustreffen mit dem Projektleiter kann er mit angeblichen Problemen bluffen oder sich damit herausreden, er sei dran, die Ergebnisse aber noch nicht perfekt genug zum Vorführen. In Scrum hat eine solche Bummelei keine Chance. Täglich soll jeder Mitarbeiter eine Aufgabe fertigstellen, deren Aufwand auf einen Arbeitstag oder weniger geschätzt wurde. Das Standup-Meeting erwartet hier eine Erfolgsmeldung statt „Ich bin dran, aber…“. Fehlen vorzeigbare Ergebnisse, müssen die Gründe offenbart und Probleme gelöst werden. Hier gibt es kein Vertuschen von ganztägiger Untätigkeit. Sichergestellt wird dies durch eine der stärksten Antriebskräfte, den Peer Pressure, den Druck durch das Team. Die anderen wissen nämlich: Wenn einer faulenzt, müssen sie seine Arbeit mit erledigen.

Timeboxing-Prinzip

Hat man sich im Aufwand doch mal verschätzt, was auch in Scrum möglich ist, kann zum vorgegebenen Termin das geplante Ergebnis nicht geliefert werden. Dann steht man grundsätzlich vor zwei Alternativen: (1) Man arbeitet so lange weiter, bis die Sache erledigt ist, und liefert später, oder (2) man liefert pünktlich zum Termin das bisher Erreichte und plant dann neu. In Scrum ist das Prinzip klar: Termin geht vor Ergebnis. Wenn die Zeit um ist, dann hält man inne. Im Standup sagt jeder nur so viel, wie in seine Redezeit hineinpasst, am Iterationsende liefert man das bisherige Ergebnis. Nicht erledigte Aufgaben werden im neu zu planenden nächsten Sprint nachgeholt. Nach diversen Zeitmanagement-Selbstversuchen würde ich sagen, dass das Timeboxing sich als die bessere Strategie erwiesen hat. Eine Fehleinschätzung führt dank Timeboxing nicht zu unendlichen Überstunden, mit denen man versucht, die Fehleinschätzung noch auszugleichen, und es müssen auch nicht andere Projekte ebenfalls in Verzug geraten. Beim täglichen Zeitmanagement arbeite ich immer mit Timeboxen. Wenn ich mir vorgenommen hatte, in einer Stunde einen Text zu schreiben, aber nach dieser Stunde ist erst die Hälfte fertig, dann notiere ich ihn mir morgen wieder auf die Liste und erledige den Rest morgen. Dann weiß ich genau, dass ich da nochmal eine Stunde reservieren muss.

Das priorisierte Backlog

Auch wenn am Timebox-Ende Termin vor Ergebnis geht, ist es bei der Planung umgekehrt. Das Team arbeitet sich an einem priorisierten Backlog entlang, von dem jeder die am höchsten priorisierten Aufgaben zieht (pullt) und als nächstes erledigt. Auch dieses Prinzip setze ich im Zeitmanagement täglich ein. Ich plane innerhalb des täglichen Sprints nicht schon vorab die Uhrzeiten meiner Tätigkeiten, sondern arbeite mich an meinem Backlog des Tages entlang, vom Wichtigsten zum Unwichtigsten – abgesehen natürlich von zeitlichen Beschränkungen (z. B. Erreichbarkeit von Ansprechpartnern) und Abhängigkeiten zwischen Aufgaben. Mit dem Wichtigsten zu beginnen stellt sicher, dass auch bei Eintreten diverser Eventualitäten – plötzliche dringende Telefonate, Mehraufwände, spontane Eingebungen, Sturm und Erdbeben – bis abends (Timebox-Ende) das Wichtigste erledigt ist.

Fazit

Aus Scrum kann man einiges über Zeitmanagement lernen! Nicht nur der Prokrastinierer, sondern auch der Fortgeschrittene: Sogar dann, wenn man große Projekte weit vorausplant, benötigt man fürs konkrete Zeitmanagement eine detaillierte Aufgabenplanung für die nächste/n Woche/n, ein priorisiertes Backlog und gleichzeitige Ergebnis- und Terminorientierung.

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