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Spiral Dynamics in der IT (Teil 2) – Von Egozentrik bis Wissenschaft und Empirik

Im ersten Teil der Serie wurden Ihnen die Grundlagen des Systems der Spiral Dynamics (SD) vorgestellt, das Prinzip der Memes und die Anwendungsmöglichkeiten in der IT. In diesem Beitrag werden die Memes Rot, Blau und Orange beschrieben.

Meme 3: Rot – Egozentrik, Gewinnen ohne Regeln

Rot bildet im Fortschritt zu Purpur einen Sinn für Individualität aus und ist in der Lage, sich selbst als getrennt von der Gemeinschaft wahrzunehmen.
Der Einzelne kann somit weiterkommen, mehr Gewinne machen, mehr Ressourcen verbrauchen als der Rest der Gruppe.

Bei Rot herrscht das Recht des Stärkeren. Man verlässt sich nicht mehr auf die Natur allein. Man verlässt sich zusätzlich auf das, was man von anderen klauen kann. Es geht nur um das eigene Vorankommen. Zu diesem Zweck wird alles getan, gesagt, vorgetäuscht oder imitiert, was der eigenen Bereicherung dient. Dabei gibt es kein schlechtes Gewissen, weil es keinerlei Mitgefühl gibt und keinen wirklichen Gedanken, wie es dem Anderen ergeht, außer solche Empfindungen lassen sich strategisch nutzen.

Das Denken ist kurzfristig. Rot entstand vor der Etablierung von Ackerbau und Viehzucht, welche zumindest mittelfristiges Denken voraussetzen.

Stichworte und Beispiele:
Machtgötter. Erstes Auftauchen eines Selbst, welches sich vom Stamm unterscheidet; machtvoll, impulsiv, egozentrisch, heroisch: Magisch-mythische Geister, Drachen, wilde Tiere, und machtvolle Einzelne.
Archetypische Götter und Göttinnen, machtvolle Wesen, Kräfte, mit denen gerechnet werden muss; gut und böse. Feudalherrscher beschützen Untergebene im Austausch gegen Gehorsam und Arbeit. Die Grundlage feudaler Imperien – Macht und Ruhm.
Die Welt ist ein Dschungel voller Gefahren und Raubtiere: erobern, täuschen und beherrschen; das Selbst in vollen Zügen genießen, ohne Bedauern oder Reue; sei jetzt hier.

Verhalten der mittelalterlichen Ritter, Wutanfälle von Zweijährigen, Nationalstaaten, Gang-Leader, wilde Rockstars, Dschingis Khan, Herr der Fliegen.

Stärken:
Rot ist stark, weil es sich in permanenten Auseinandersetzungen fit hält. Ist es nicht stark, wird es in einem roten Umfeld von anderem Rot vernichtet. Es verabscheut eigene Schwäche und hält sich auch deshalb fit.
Rot ist tough und respektiert Stärke in anderen. Rot hat auch keine negativen Urteile über seine Gegner; es bekämpft sie nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es ganz schlicht deren Zeugs klauen will, und wegen des Gewinns an Status.
Der Code der Fremdenlegion enthält auch die Passage „Ich respektiere meine besiegten Feinde.“ Das ist reines Rot.
Sofern es notwendig ist, Mitstreiter zu gewinnen, wird Rot eventuell moralisch argumentieren bzw. einen Sinn für Moral imitieren, wenn das die Truppen besser auf Linie bringt. Subjektiv ist ihm Ethik aber völlig egal.
Da Rot nicht grübelt, kann es punktuell sehr schnell und schlagkräftig sein.

Schwächen und Grenzen:
Das rote Meme allein kann keinen langfristigen Wohlstand aufbauen, da es nicht langfristig denken kann. Wohlstand Anderer wird geklaut, so dass auch jeglicher Anreiz zum Aufbau von Wohlstand entfällt, da er jederzeit willkürlich weggenommen werden kann.
Langfristige Forschungen und Experimente sind nicht möglich, da jeder Moment der Schwäche in der unmittelbaren Verteidigung sofort ausgenutzt wird. Deshalb wird in einer roten Welt alles auf unmittelbare Stärke konzentriert.

Wünsche und Streben: Rot strebt nach Stärke, die auch von anderen wahrgenommen wird. Rot will respektiert und anerkannt werden. Grenzen akzeptiert Rot nur so lange, wie sie durch Gewaltanwendung Anderer aufrechterhalten werden. Sobald Rot eine Lücke in der Verteidigung sieht, versucht es, selbst die Herrschaft zu übernehmen.
Die Belohnung muss bei Rot kurzfristig stattfinden. Angebote zum langfristigen Aufbau von Wohlstand oder Kompetenz sind völlig uninteressant.
Rot wird nur jemandem zuhören, der selbst stark ist und Angriffe gekonnt abwehrt.

Attraktive Botschaft: „Hier kannst Du Stärke gewinnen und morgen X erreichen!“

Ablehnung:
Alles, was Schwäche und Schamgefühle bedeutet, wird abgelehnt. Argumente, die nicht durch Gewaltanwendung durchgesetzt werden, werden ignoriert. Selbstbeschränkung, aufgeschobene Belohnung, schwache Führer, werden abgelehnt.

Verbreitung:
Schätzungsweise 20% der Weltbevölkerung und 5% der Politiker sind auf dem Level Rot. In Deutschland würde ich schätzen, 5% der Bevölkerung, 0,2% der Politiker.

Zusammenarbeit in der IT:
Auch Rot wird in der IT wenig vorkommen. Zu wenig körperlich, zu viel Denken in langfristigen Zusammenhängen.

Wenn Sie STAR TREK mögen, orientieren Sie sich an den Klingonen und daran, wie Picard (ein gelber Charakter im Übergang zu Türkis) mit Klingonen diskutiert und wie er seine Argumente wählt, um Klingonen zu motivieren und zur Mitarbeit zu bewegen.

Rot mag es direkt und klar, ohne Schnörkel und ohne Floskeln. Benutzen Sie eine klare Sprache und reden Sie nicht um Dinge herum.
Wettbewerbe sind anziehend für Rot. Überall, wo Rot durch Kraft und Leistung gewinnen kann, will es dabei sein und gewinnen. Auch für Rot darf es nicht zu kompliziert werden. Bevorzugt wird Wettbewerb ohne Handschuhe und ohne Regeln. Regeln werden nur akzeptiert, wenn der Regelgeber nachgewiesenermaßen stärker ist. Und rechnen Sie damit, dass Rot Sie herausfordert und erbarmungslos niedermacht, wenn Sie nicht gewinnen.

Meme 4: Blau – Verzicht jetzt für Gewinn später, strenge Regeln

Blau hat entdeckt, dass man, wenn man auf kurzfristigen Gewinn verzichtet, langfristig Wohlstand aufbauen kann. In der Menschheitsgeschichte zeigt sich dieser Übergang beim Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht. Man futtert das Getreide nicht sofort auf, sondern sät einen Teil davon aus, um später mehr als das 30fache zu erhalten. Man verzehrt nicht gleich alle Tiere, sondern gibt einigen davon Raum für romantische Zweisamkeit, damit man später einen Teil ihrer Nachkommen aufessen kann.
Damit dies passieren kann, müssen die alten Bedürfnisse nach sofortiger Belohnung begrenzt werden. Damit Wohlstand aufgebaut werden kann, muss verhindert werden, dass die Beteiligten jederzeit willkürlich ausgeraubt werden können.

Blau versucht dies zu erreichen durch rigide Regeln, die um jeden Preis durchgesetzt werden müssen. Die sehr starken Triebe von Rot müssen durch sehr starke Gegenkräfte gebändigt werden, andernfalls versinkt die Welt wieder im roten Chaos dauernder Machtwechsel und kurzfristiger Ressourcenausbeutung. Damit sie auf dieser Entwicklungsstufe verständlich sind, müssen die Regeln einfach sein. Um den Regeln mehr Gewicht zu geben, wird behauptet, sie entsprängen einer „göttlichen“ Ordnung, welcher die Menschen bedingungslos folgen müssen.

Stichworte und Beispiele:
Von einer „gerechten Ordnung“ werden Verhaltensregeln auferlegt, die absolut und unveränderlich als „richtig“ und „falsch“ gelten. Das Verletzen dieser Regeln hat schwerwiegende, vielleicht auf ewig andauernde Konsequenzen. Das Befolgen der Regeln bringt Belohnungen für jene, die daran glauben.
Rigide soziale Hierarchien; paternalistisch; ein einziger – und nur ein einziger – Weg, die Dinge zu betrachten. Recht und Ordnung; Kontrolle von Impulsivität durch Schuld; wortwörtlicher und fundamentalistischer Glaube.
Glaube, dass manche Gesetze wortwörtlich von „Gott“ geschrieben wurden und deshalb absolut wahr sind und mit allen Mittel durchgesetzt werden dürfen, weil keine Grausamkeit so schlimm sein kann wie das Übertreten von Gottes Regeln.

Stärken:
Blau entfaltet seine Hauptstärke als Übergang vom inkonsequenten Rot zu einer gezügelten Lebensweise, die weniger Schaden anrichtet. Klassisches Beispiel ist der Kriminelle, der im Gefängnis „zu Gott findet“ und sich selbst freiwillig strikten Regeln unterwirft, um dem permanenten Kampf und Schmerz zu entkommen. Für ihn sind die strikten Regeln ein Fortschritt, da er vorher überhaupt kein System hatte, nach dem er sich langfristig organisieren konnte.
Reines Blau sagt ganz klar, was die Regeln sind. Wer sich daran hält, hat in reinem Blau nichts zu befürchten und erhält das Versprechen von Belohnung nach dem Tode.

Schwächen und Grenzen:
Da die Regeln von „Gott“ gegeben sind, dürfen sie nicht hinterfragt werden. Auch Regeln, die unnütz oder schädlich sind, dürfen nicht in Frage gestellt werden, weil sonst der große göttliche Plan gefährdet wird. Der Schaden wird in Kauf genommen, weil er ja einem vermeintlichen größeren Gewinn in der Zukunft dient. Der religiöse Sozialarbeiter wird durch Blau ebenso motiviert wie der idealistische Selbstmordattentäter.

Wünsche und Streben:
Blau will Regeln und will auch sehen, dass diese Regeln eingehalten und durchgesetzt werden. Blau braucht eine klare Orientierung, was als richtig gilt und was als falsch. Attraktive Botschaft: „Hier lernst Du, nach welchen Regeln Du Erfolg hast.“

Ablehnung:
Blau lehnt vor allem die Egozentrik von Rot ab. Die Offenheit von Gelb betrachtet Blau als Gefährdung der göttlichen Ordnung. Blau akzeptiert Purpur, weil es sich an Regeln hält und in eine Struktur einfügt, die vermeintlich höheren Ursprungs ist.

Verbreitung:
Ca. 40% der Weltbevölkerung und 30% der Herrschenden sind auf dem Level Blau. In Deutschland würde ich schätzen, 25% der Bevölkerung, 10% der Politiker.

Zusammenarbeit in der IT:
Blau will im Gegensatz zu Rot klare Regeln. Die Regeln dürfen aber nicht zu kompliziert sein und nicht zu differenziert. Denken Sie etwa an Regeln für Spiele auf einem Kindergeburtstag. Und erwarten Sie die gleiche Art von Drama, wenn jemand die Regeln nicht beachtet.
Blau wird in der IT in solider Anzahl vorkommen. Die klaren Regeln, die klare Mathematik, die eindeutige Beweisbarkeit, ob man recht hat oder nicht, sind sehr anziehend für Blau. Die Sprache bei Blau sollte klar und förmlich sein und die Rollen in der Hierarchie klar definieren. Blau lernt von Ihnen, wenn Sie im Status über ihm stehen.
Blau geht davon aus, dass Ordnung und Struktur von einer „höheren Macht“ vorgegeben werden. Wenn Sie argumentieren, kann Blau Sie mitunter auslachen, weil es davon ausgeht, dass Sie versuchen, gegen Gott zu sprechen, und das wirkt auf Blau lächerlich. Naturwissenschaftliche Fakten bleiben an dieser Stelle auch wirkungslos.

Meme 5: Orange – Wissenschaft und Empirik, persönliches Streben nach Glück innerhalb von Regeln

Orange hat die Regeln von Blau verinnerlicht, akzeptiert sie aber nicht mehr vorbehaltlos, und vor allem nicht mehr als von Gott gegeben. Orange erkennt an, dass Aufschub von Belohnung später mehr Belohnung bringen kann, ist aber nicht mehr bereit, das persönliche Wohlergehen einem Regelwerk zu opfern, das nicht sachlich gerechtfertigt ist, sondern ungeprüft übernommen werden soll.
Geschichtlich soll das orange Meme entstanden sein, als die Pest-Epidemien Europa praktisch entvölkerten, als die Kirche dagegen absolut nichts ausrichten konnte. Die rigiden Regeln, angeblich von Gott gesandt, nützten den Menschen also nichts. Orange will, dass Regeln begründet werden. Hierzu werden wissenschaftliche Methoden angewendet, insbesondere wiederholbare Experimente.
Jeder soll nach seinem persönlichen Glück streben dürfen, solange er nicht das Glück anderer beeinträchtigt.

Unter anderem hat Orange eine wesentliche Erkenntnis gewonnen: Leute, die tot sind, neigen dazu, sehr wenig zu kaufen. Sie werden auch nicht zu Wiederholungskunden oder zu Abonnenten. Deshalb ist Orange deutlich weniger mörderisch als Rot und Blau. Gewaltanwendung wird akzeptiert, wenn sie auf Basis nachvollziehbarer und sinnvoll erscheinender Gesetze ausgeübt wird. Autoritäten werden akzeptiert, wenn sie sowohl Stärke als auch sachliche Kompetenz beweisen.

Stichworte und Beispiele:
Amerikanische Unabhängigkeitserklärung, Werte der Französischen Revolution. Wissenschaftliche Leistung. Auf dieser Welle „entkommt“ das Selbst der „Herdenmentalität“ von Blau, und will selbst herausfinden, was richtig und was relevant ist. Die Welt ist eine rationale und gut geölte Maschine mit natürlichen Gesetzen, welche erlernt, gemeistert und für die eigenen Zwecke gehandhabt werden können. Die Welt ist ein Spielfeld, auf dem die Gewinner Vorrang und Vergünstigungen gegenüber den Verlierern erhalten, ohne aber die Verlierer zu vernichten. Marktwirtschaft; Manipulation der Ressourcen der Erde für die eigenen Ziele.

Stärken:
Wissenschaft, Respekt vor Regeln, Optimismus, Strebsamkeit. Orange will vorankommen und setzt sich mit viel Energie dafür ein.

Schwächen und Grenzen:
Orange ist auf den eigenen Vorteil bedacht und respektiert die Grenzen seines Nachbarn. Die Perspektive ist aber noch zu klein, um z.B. langfristige psychologische Auswirkungen oder nachhaltige Zerstörungen der Umwelt zu erkennen. Das Streben ist stark auf den eigenen Gewinn ausgerichtet und vergisst mitunter, dass auch Helfen und Fürsorge befriedigend sein können. Eine tiefgehende langfristige Transformation der Gesellschaft wird dadurch blockiert, dass der Einzelne auf sich selbst konzentriert ist.
Was das Zusammenleben angeht, stehen Orange nur die Ansätze von Blau zur Verfügung, so dass die Gesellschaft als Ganzes relativ starr bleibt. Verlierer werden zwar nicht vernichtet, haben aber keinen wirklichen Platz bei Orange, bestenfalls als Teilnehmer für die nächste Runde des Spiels.

Wünsche und Streben:
Aufstieg, Status, persönliches Glück. Orange braucht Belohnungen, wenn auch keine sofortigen. Attraktive Botschaft: „Mit uns kommst Du voran, Du kannst an Geld und Status gewinnen und aufsteigen, legal und ohne Ärger zu bekommen.“

Ablehnung:
Orange sieht auf das rigide Blau herab und verachtet das gleichmacherische Grün als „bleeding heart socialists“. Orange beugt sich keinen Regeln, die nicht begründet sind und akzeptiert keine Begrenzungen, die es nicht nachvollziehen kann.

Verbreitung:
Vermutlich sind ca. 30% der Weltbevölkerung auf dem Level Orange und etwa die Hälfte der Herrschenden.

Zusammenarbeit in der IT:
Wenn Sie STAR TREK mögen, studieren Sie die Ferengi. Sie sind der Prototyp des orangen Kaufmanns, der Regeln akzeptiert, sie aber auch mal dehnt, und der permanent auf den eigenen langfristigen Vorteil bedacht ist.
Orange akzeptiert Regeln vor allem im eigenen Interesse, weil ein besiegter Gegner wahrscheinlich nicht zum Wiederholungskäufer wird. Orange zeigt Respekt, um seinerseits respektiert zu werden und um zu verkaufen. Die Verheißungen des frühen Tony Robbins oder Raymond Hull, das sind die Botschaften, denen Orange sich anschließt.
Die Sprache von Orange verträgt mehr Komplexität als Rot oder Blau. Orange weiß, dass es im Sinne gesellschaftlicher Regelwerke, die für alle langfristig gut sind, mehr Begrenzungen und mehr Unterscheidungen akzeptieren muss als Rot, hält aber auch Verträge bevorzugt kurz und klar.

Im dritten Teil werden Ihnen die restliche Memes vorgestellt.

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