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Selbstständigkeit und ihre Kategorien

Selbstständigkeit und ihre Kategorien

Selbstständigkeit und ihre Kategorien

Viele Selbstständige haben das Thema „Scheinselbstständigkeit“ längst zu den Akten gelegt. Insbesondere durch die Gesetzesänderungen im Jahre 2003 schien das Thema „tot“ zu sein. Nunmehr erlebt diese für die meisten Betroffenen unrühmliche Facette ihrer Selbstständigkeit eine ungeahnte und unerwartete Wiederbelebung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB). Diese versucht massiv und in großem Stil, die zwischen dem Selbstständigen und seinem Auftraggeber bestehende Zusammenarbeit zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zu definieren und schreckt dabei auch vor wirklichkeitsfremden Behauptungen nicht zurück.

Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht

Zunächst möchte ich kurz auf den Unterschied zwischen Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht eingehen, da diese beiden Aspekte häufig nicht ausreichend differenziert werden.

Genau genommen gibt es vier Kategorien, die es zu unterscheiden gilt:

1. Selbstständig ohne Versicherungspflicht
2. Selbstständig mit Rentenversicherungspflicht
3. Arbeitnehmer mit Sozialversicherungspflicht
4. Scheinselbstständig (nur als temporärer Status)

Die Kategorie Scheinselbstständigkeit bezeichnet daher lediglich einen vorübergehenden Zustand. Denn niemand kann auf Dauer scheinselbstständig sein, da eine Tätigkeit letztlich immer in eine der Kategorien 1 bis 3 eingeordnet werden muss.

Demnach gibt es die Möglichkeiten

1. ein „echter“ Selbstständiger zu sein, ohne jegliche Versicherungspflicht des Selbstständigen und seines Auftraggebers, oder
2. ein „Selbstständiger mit Rentenversicherungspflicht“ zu sein und damit für sich Rentenversicherungsbeiträge zahlen, womit der Auftraggeber dann aber nichts zu tun hat, oder
3. Arbeitnehmer mit der vollen Sozialversicherungspflicht zu sein, für den der Auftraggeber unter Umständen für die letzten maximal 4 Jahre die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen muss.

Die gesetzliche Definition der Nicht-Selbstständigkeit

Die aktuelle gesetzliche Regelung reduziert sich auf folgende Definition: „Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“.

Es kann also selbst bei einer Eingliederung und Weisungsgebundenheit nicht zwangsläufig eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angenommen werden: Beide Aspekte werden vom Gesetzgeber explizit lediglich als „Anhaltspunkte“ bezeichnet. Das hindert die DRB jedoch nicht daran, exakt diese beiden Aspekte häufig in den Mittelpunkt ihrer Argumentation zu stellen, ohne andere, für die Selbstständigkeit sprechende Kriterien zu prüfen.

Die Praxis zeigt sogar, dass die frühere Liste von Scheinselbstständigkeits-Kriterien zwar längst aus dem Gesetz verschwunden ist, nicht aber aus den Köpfen vieler Mitarbeiter der DRB. Diese ehemals gültigen Kriterien waren

So wird z.B. immer mal wieder danach gefragt, ob der Selbstständige für seinen aktuellen Auftraggeber zuvor als Arbeitnehmer tätig war oder ob der Auftraggeber des Selbstständigen andere, fest angestellte Mitarbeiter hat, die eine dem Selbstständigen vergleichbare Tätigkeit ausüben – beides Bezüge zu dieser nicht mehr aktuellen Liste.

Stattdessen existieren aufgrund der Rechtsprechung neben der geltenden gesetzlichen Definition zahlreiche einzelne Kriterien die für bzw. gegen eine Selbstständigkeit sprechen und auf die die DRB eigentlich zurückgreifen müsste.

Kriterien pro und kontra Scheinselbstständigkeit

Für eine selbstständige Tätigkeit spricht beispielsweise, dass der Selbstständige

Die volle Beweislast für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung liegt in jedem Einzelfall bei der DRB. Dabei muss sie die genannten und weitere Aspekte prüfen und bewerten.

Wie können sich Selbstständige gegen die DRB wehren, wenn diese ihnen eine Scheinselbstständigkeit nachweisen möchte?

Verträge

Zunächst einmal kommt in diesem Zusammenhang den Verträgen eine erhebliche Bedeutung zu: Darin sollten keine Regelungen und Formulierungen enthalten sein, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen könnten. Grundsätzlich gilt: Je weniger geregelt ist, desto besser.

Die häufig verwendeten Präambeln, wonach die Vertragsparteien bewusst keinen Arbeitsvertrag begründen wollen, jede Partei für sich selbst verantwortlich sei etc. halte ich übrigens nicht für hilfreich, sondern eher für kontraproduktiv. Derartige Formulierungen stoßen die DRB geradezu darauf, dass die Parteien es offensichtlich für möglich halten, ihr Vertrag könne als Arbeitsvertrag interpretiert werden. Abgesehen davon enthalten solche Absichtserklärungen ohnehin kaum rechtliche Wirkung.

Betriebspraxis

Neben der vertraglichen Seite kommt der praktischen Ausgestaltung der Tätigkeit große Bedeutung zu. Wie wird der Vertrag gelebt? Wie sieht die konkrete Ausübung der Tätigkeit aus? Welche Rahmenbedingungen werden seitens des Endkunden gesetzt? Worin unterscheidet sich die Tätigkeit des Selbstständigen von denen der festen Mitarbeiter des Endkunden?

Der Selbstständige sollte versuchen, seine besondere Rolle und Position deutlich zu machen und zu dokumentieren. So belegen beispielsweise projektbezogene Protokolle der Arbeitsstunden mit unregelmäßigen Stundenzahlen eine individuelle Ausgestaltung der Arbeitszeit. Sofern möglich, sollten außerdem die Tätigkeiten nicht nur beim Endkunden vor Ort, sondern (auch) zu Hause oder im eigenen Büro erbracht werden.

Fazit

Die DRB ist in ihren Anschauungen in Sachen Scheinselbstständigkeit von der eigentlichen Idee des sozialrechtlichen Schutzes bestimmter Selbstständiger weit entfernt. Es geht ganz offensichtlich nicht mehr darum, wirklich schutzbedürftigen Scheinselbstständigen zu einem ordentlichen abgesicherten Arbeitsverhältnis zu verhelfen, sondern um das Einkassieren möglichst vieler und hoher Beiträge zur Stützung des überlasteten Rentensystems. Dies ist eine sehr eigenwillige Auslegung des Solidaritätsprinzips, der sich Selbstständige mit allen legalen Mitteln entziehen sollten. Schließlich haben sie einerseits ihre Altersversorgung ohnehin meist privat geregelt und sind andererseits – wie wohl alle vernunftbegabten Menschen – nicht bereit, einen Teil ihrer Einnahmen in das Rentenversicherungssystem zu investieren, aus dem sie mit hoher Sicherheit weniger zurück erhalten werden, als sie insgesamt eingezahlt haben.

 

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