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Vertragsrecht für Freiberufler (Teil 1)

Vertragsrecht für Freiberufler

Vertragsrecht für Freiberufler

Der folgende Beitrag ist der erste einer Reihe von Aufsätzen zum Thema Verträge und Vertragsrecht. Verträge stellen für den Freiberufler und seinen Vertragspartner, der Unternehmensberatung oder dem Endkunden, die essentielle Geschäftsgrundlage der Zusammenarbeit dar. Verträge haben aber fast immer auch Auswirkungen gegenüber Dritten wie beispielsweise dem Finanzamt und der Deutsche Rentenversicherung Bund, was ebenfalls beachtet werden sollte. Zunächst befasse ich mich mit den „Basics“ zum Vertragsrecht: den Vertragsformen, den Vertragsarten, der Vertragsauslegung und den Vertragsgrenzen. Anschließend werden die für Selbständige in der IT typischen Vertragsklauseln behandelt.

Grundsätzliches zum Vertragsrecht

Vertragsfreiheit

Grundsätzlich gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit. Dies bedeutet, dass jeder Geschäftsfähige mit jedem anderen Geschäftsfähigen einen Vertrag jeglichen Inhalts schließen kann. Ob dieser Vertrag für beide Parteien gerecht und ausgleichend oder – eine Partei bevorzugt – eher einseitig ist, spielt rechtlich keine Rolle. Allerdings hat die Vertragsfreiheit ihre Grenzen: So ist beispielsweise ein Vertrag, der ein gesetzliches Verbot verletzt, genau so nichtig, wie ein Vertrag, der gegen die guten Sitten verstößt. In beiden Fällen würde der Vertrag so behandelt, als ob es ihn nie gegeben hätte. Jedoch sind diese Grenzen der Vertragsfreiheit sehr weit gezogen. Diese Grenzziehung geschieht im Übrigen durch die Rechtsprechung, also die Gerichte und unterliegt einem Wandel, der insbesondere durch die gesellschaftlichen Entwicklungen und der damit einhergehenden, sich verändernden Anschauungen beeinflusst wird.

Vertragsauslegung

So lange beide Vertragsparteien gut miteinander auskommen, interessieren sich diese in der Regel nicht für den zwischen Ihnen geschlossenen Vertrag. Treten aber Probleme im Projekt auf oder kommt es zu anders begründeten Differenzen, erhält der Vertrag eine erheblich größere Bedeutung und steht plötzlich im Mittelpunkt der Diskussion.

In diesem Zusammenhang wird dann die Frage der Vertragsauslegung äußerst relevant. Dabei ist wichtig zu wissen, dass hierbei nicht einzelne Begriffe und Formulierungen wesentlich sind, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, was die Vertragsparteien mit dem Vertrag wirklich bezweckt haben. Dies ist gesetzlich so formuliert: „Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“ (§ 133 BGB).

Praktisch bedeutet dies, dass beispielsweise ein Vertrag nicht allein deshalb ein Werkvertrag ist, weil er so heißt. Es ist also letztlich der „Geist“ des Vertrags maßgebend, wobei allerdings die im Vertrag enthaltenen Regelungen selbstverständlich wichtig sind und mindestens eine Indizwirkung haben. Trägt der Vertrag also den Titel „Werkvertrag“, so spricht dies zunächst als Indiz für einen Werkvertrag; reicht aber allein nicht, um einen solchen anzunehmen.

Vertragsformen

Die für IT-Selbständige relevanten Vertragsformen sind der Dienstvertrag und der Werkvertrag. Der Dienstvertrag ist in § 611 BGB definiert. Darin heißt es: „Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.“

Die gesetzliche Definition des Werkvertrags findet sich in § 631 BGB: „Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.“

Worin liegen nun die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Vertragsarten? Beim Dienstvertrag hat der Selbständige die Verpflichtung eine Dienstleistung zu erbringen und das Recht auf Bezahlung seiner Leistung. Es besteht seitens des Auftraggebers kein Anspruch auf eine bestimmte Qualität bzw. auf ein bestimmtes Ergebnis. Im Falle einer „Schlechtleistung“ kann der Auftraggeber das Honorar nicht ohne Weiteres kürzen und ganz einbehalten.

Dies ist dem Auftraggeber jedoch im Falle eines Werkvertrags möglich. Allerdings muss der Vertrag dann auch die daran gestellten Anforderungen erfüllen, das heißt, die zu erbringende Leistung muss bei Abschluss des Vertrags exakt und so detailliert wie möglich – also „abnahmefähig“ – beschrieben werden. Beim Werkvertrag schuldet der Selbständige ein bestimmtes Ergebnis – rechtlich formuliert – einen „Erfolg“. Davon ist dann auch das Honorar abhängig, dass der Auftraggeber kürzen oder überhaupt nicht zahlen braucht, wenn das Ergebnis der Leistung nicht den vorher festgelegten Anforderungen entspricht.

So gesehen ist ein Werkvertrag also für den Selbständigen mit höheren Risiken behaftet als ein Dienstvertrag. In der Praxis ist der Werkvertrag jedoch eher die Ausnahme, da in den meisten Projekten eine exakte und umfassende Definition der zu erbringenden Leistung nicht möglich ist und daher oft eher allgemeine Leistungsbeschreibungen wie „Beratung“, „Unterstützung“ etc. verwendet werden.

Vorverträge

Bevor überhaupt ein Vertrag zustande kommt, wird häufig zwischen dem Selbständigen und der Unternehmensberatung ein so genannter Vorvertrag geschlossen. In diesem befindet sich u.a. meist eine Kundenschutzklausel, mit der die Unternehmensberatung vermeiden möchte, dass der Selbständige die ihm offen gelegten Angaben über den Endkunden zu eigenen Zwecken und unter Umgehung der Unternehmensberatung selbst nutzt. Derartige Regelungen sollen also die Geschäftsinteressen der Unternehmensberatung schützen. Ein Schutz dieser Interessen ist grundsätzlich legitim, jedoch stellt sich Selbständigen oft die Frage nach dem Umfang einer derartigen Regelung.

Es geht hierbei also letztlich um die Abwägung zwischen Vertragsfreiheit und deren Grenzen. Wie oben bereits dargelegt, sind die Grenzen der Vertragsfreiheit sehr weit gezogen. Insbesondere zwei gesetzliche Bestimmungen könnten hier relevant sein:

§ 134 BGB (Verstoß gegen ein Gesetz) und § 138 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten). Lediglich eine gesetz- oder sittenwidrige Vereinbarung ist unwirksam, wobei beide Grenzen sehr weit verlaufen. Zudem ist insbesondere die Frage der Sittenwidrigkeit stark auslegungsfähig.

In der Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (dazu später mehr) wird auf § 74 HGB zurückgegriffen und die dortige Regelung, die eigentlich nur für Angestellte gilt, auf arbeitnehmerähnliche Selbständige angewendet.

Der zweite Anknüpfungspunkt für die mögliche Unwirksamkeit eines vorvertraglichen Wettbewerbsverbots ist die Vorschrift über die „guten Sitten“.

Die Frage, ob eine Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist, eröffnet ein weites Feld. Allgemeingültige und letztverbindliche Antworten gibt es hier nicht. Gerade bei der Anwendung der „guten Sitten“ auf einen Sachverhalt muss stets individuell die fragliche Regelung sowohl für sich allein als auch im Kontext des gesamten Vertrags untersucht und beurteilt werden. Daher kann ich an dieser Stelle nur eine Reihe von Fragen aufwerfen, die im Einzelfall zu beantworten sind:

Hat die Unternehmensberatung ein berechtigtes und schützenswertes Interesse am Wettbewerbsverbot, das heißt, besteht überhaupt die konkrete Möglichkeit, den Selbständigen in einem Projekt einzusetzen? Welchen zeitlichen Umfang hat das vorvertragliche Wettbewerbsverbot, das heißt, wie lange bindet es den Selbständigen? Welchen inhaltlichen Umfang hat das vorvertragliche Wettbewerbsverbot, das heißt, für welchen Kunden bzw. für welche Bereiche des Kunden gilt es? Welche Sanktionen sind bei einem Verstoß gegen das vorvertragliche Wettbewerbsverbot vorgesehen, gibt es eine Vertragsstrafe und wie hoch ist diese bemessen? Ist die Vertragsstrafe konkret bestimmt, dass heißt, ist die Vertragsstrafe ein fixer Betrag oder ist sie variabel und nur durch eine Berechnung zu ermitteln?

Aus der Beantwortung dieser Fragen müsste sich im jeweiligen Einzelfall ermitteln lassen, ob das vorvertragliche Wettbewerbsverbot unter Umständen sittenwidrig und damit unwirksam ist. Da hierzu aber bislang keine Rechtsprechung vorliegt, ist kaum einzuschätzen, wie eine derartige Streitfrage von einem Gericht beurteilt werden würde. Diese Unsicherheit bleibt bis auf Weiteres bestehen.

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