Die Diskussion über Patentrechte sorgt seit Jahren für Verunsicherung bei IT-Dienstleistern, vor allem bei denjenigen, die Software entwickeln. Sie stehen vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, bei der Softwareentwicklung sicherzustellen, dass sie keine Schutzrechte anderer verletzen. SOLCOM sprach mit dem Augsburger Patentanwalt Peter Prünte und dem Versicherungs-Experten Ralph Günther darüber, welche Gefahren sich aus Verletzungen gewerblicher Schutzrechte für IT-Dienstleister ergeben können – und wie man sich dagegen absichern kann.
Wer braucht schon ein Patent?
Prinzipiell braucht man zur Nutzung einer Technologie keine Patente, erläutert uns Patentanwalt Peter Prünte. Dennoch ist in Europa seit Jahren ein heftiger Streit um Software-Patente entbrannt. Und obwohl die Patentierbarkeit von Software in Europa grundsätzlich ausgeschlossen ist, hat das Europäische Patentamt EPA in den vergangenen Jahren bis zu 50.000 Patente auf Software erteilt. Würden diese Patente durch eine Gesetzesänderung legitim, drohte eine Klagewelle innerhalb der IT-Branche. Wenn sich einige wenige Konzerne heute Rechte durch Software-Patente sichern, dann nicht immer, um eine bestimmte Idee zu schützen. Die Folge: Werden Software-Patente in Europa rechtskräftig, drohen vielen IT-Unternehmen Patentverletzungsklagen mit hohem Streitwert.
Herr Prünte, die Frage der Patentierbarkeit von Software in Europa schlägt seit Jahren hohe Wellen. Was bietet ein Patent?
Peter Prünte: Patente sichern Monopole auf Ideen und Verfahren. Ein Patentinhaber kann für die Dauer von bis zu 20 Jahren jeden anderen von der wirtschaftlichen Nutzung der patentierten Idee ausschließen. ABER: Die Frage ist, ob Software-Patente im Bereich der Software-Entwicklung sinnvoll sind. Ein Entwickler käme kaum noch zum Entwickeln, müsste er ständig vorab klären, ob für seine Ideen und Programme schon ein Patent angemeldet wäre.
In welchen Fällen ist dann Software schutzfähig?
Prünte: Software fällt prinzipiell unter den Urheberrechtsschutz. Darüber hinaus ist sie dann schutzfähig, wenn sie ein technisches Problem mit technischen Mitteln löst. Und genau zu dieser Frage gibt es widerstreitende Gerichtsentscheidungen. Im Einzelfall wird immer geprüft, inwieweit eine sogenannte Technizität vorliegt.
Welche Vorteile oder Nachteile habe ich konkret durch ein Schutzrecht?
Prünte: Nur der Inhaber (oder sein Lizenznehmer) eines Schutzrechts darf es nutzen. Kein Dritter. Negativ betrachtet heißt das, eine widerrechtliche Nutzung verpflichtet zur Unterlassung und zum Schadenersatz. Positiv bedeutet es, man kann sein Schutzrecht natürlich als Lizenz auch vergüten lassen.
Stichwort Schaden. Das Schutzrecht eines anderen kann schnell und unabsichtlich verletzt werden, wie die „Abmahnwellen“ im Internet zeigen. Herr Günther, sind derartige Schutzrechtsverletzungen im Software-Bereich überhaupt versicherbar?
Ralph Günther: Ja, sie sind durch spezielle IT-Haftpflichtversicherungen bzw. eine IT Betriebshaftpflichtversicherung versicherbar. Unsere regelmäßigen Marktuntersuchungen zeigen jedoch, dass sich gerade in diesem Punkt die „Spreu vom Weizen“ trennt. Es lohnt sich, in den Verträgen genau nachzulesen, welche Rechtsverletzungen im Einzelnen tatsächlich versichert sind.
Das heißt, es kann auch für einen Versicherten unangenehme Überraschungen geben?
Günther: In unserer letzten Marktuntersuchung (http://www.exali.de/it/IT-Haftpflicht/Versicherungsvergleich,5289.php) haben von 14 IT-Haftpflichtversicherungen lediglich sieben Anbieter einzelne Rechtsverletzungen mitversichert. Davon versichern nur sechs Anbieter die für den Softwarebereich wichtigen Urheberrechtsverletzungen. Und diese wiederum versichert nur eine einzige Gesellschaft uneingeschränkt und bis zur Höhe der Versicherungssumme. Die übrigen Versicherungen reduzieren entweder die Versicherungssumme gegenüber den sonstigen Vermögensschäden, schreiben eine teure Vorabrecherche durch externe Fachkräfte (Patentanwälte, Rechtsanwälte) vor und/oder schließen die grobe Fahrlässigkeit aus. Im Klartext bedeutet das: Urheberrechtsverletzungen sind zwar mitversichert, aber im Schadenfall besteht oft keine ausreichende Absicherung.
Und wie sieht es mit anderen Rechtsverletzungen aus?
Günther: Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Marken-, Namens-, Persönlichkeits- und Datenschutzrechtsverletzungen ab. Nur ein Versicherer deckt diese ohne Auflagen bis zur Deckungssumme ab. Patentrechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit IT bzw. Software eher eine untergeordnete Rolle spielen, haben nur vier der untersuchten Versicherungen eingeschlossen. In der Regel wird die Vorabrecherche durch externe Fachkräfte zur Bedingung gemacht. Dies bedeutet, ständig Patentanwälte mit teuren Recherchen beauftragen zu müssen. Wichtiger ist für jeden IT-Dienstleister die Mitversicherung von Urheberrechten. Und diese sind grundsätzlich uneingeschränkt versicherbar.
Haben Sie konkrete Beispiele, in denen die Versicherung einsprang?
Günther: Tatsächlich kommen Schadenfälle durch Rechtsverletzungen gar nicht so selten vor. Ich kann Ihnen das anhand von zwei Fällen aus unserer Schadenspraxis zeigen:
1. Fall: Das „unechte Logo“ Ein selbstständiger IT-Experte musste ein Online-Portal programmieren, für dessen Oberflächen-Gestaltung er einen freiberuflichen Grafiker verpflichtete. Dieser wiederum verwendete im Logo diverse Elemente, für die er keine Lizenzrechte besaß – mit der Folge, dass einige Zeit nach Start der Plattform der IT-Dienstleister eine Abmahnung mit Schadenersatzforderung erhielt. Und tatsächlich: Er und nicht der Grafiker musste für den Schaden einstehen.
Was muss ich als IT-Experte beachten, wenn ich eine Abmahnung erhalte?
Günther: Viele Fälle von Abmahnungen entbehren jeder Substanz. Daher ist eine eingehende Prüfung der Ansprüche immer der erste Schritt. Sind Rechtsverletzungen in der IT-Haftpflicht eingeschlossen, prüft der Versicherer für den Versicherungsnehmer mögliche Ansprüche Dritter. Daher kommt dem „Passiven Rechtsschutz“ innerhalb der IT-Haftpflicht bzw. IT Betriebshaftpflicht eine besondere Bedeutung in der Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche zu. Der Versicherer trägt alle sogenannten Abwehrkosten (z.B. Anwalts-, Sachverständigen-, Gerichts- und Reisekosten). Und – wenn die Prüfung ergibt, dass die Ansprüche des Dritten berechtigt waren – auch die Schäden, die sich aus der Rechtsverletzung ergeben.
Passiver Rechtsschutz? Ist das nicht ein Thema für die Rechtsschutzversicherung?
Günther: Nein, dem ist nicht so, auch wenn viele Versicherte davon insgeheim ausgehen. Bis sich der Irrtum herausstellt wenn ein Schadenfall eintritt. Denn tatsächlich ist in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen ARB geregelt, dass nur die Geltendmachung, aber nicht die Abwehr von Schadenersatzansprüchen versichert ist. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Patentrechts-, Urheberrechts-, Markenrechts- bzw. sonstigen Rechtsverletzungen geistigen Eigentums ist generell ausgeschlossen. Daher ist gerade für diese Schadenfälle die (Firmen)Rechtsschutzversicherung überhaupt nicht geeignet.
Ein Kommentar
Ein Freund von mir hat etwas wirklich Nützliches fürs Büro erfunden. Er überlegt nun, ob er gleich zu einem Patentanwalt gehen sollte. Dieser Artikel ist sicher eine gute Vorbereitung für ihn, da schon mal viele Fragen zum Patentrecht erläutert werden. Danke und viele Grüße